Energiewende auf dem Bauernhof
Nachhaltigkeit gestalten

Energiewende auf dem Bauernhof

Im Rahmen des Projekts SESAM wollen wir erproben, wie die Energiewende für landwirtschaftliche Betriebe gelingen kann. Unser Testhof: Das Hofgut Neumühle in Münchweiler. Gutsleiter Dr. Karl Landfried über Chancen, Risiken und Herausforderungen der Digitalisierung auf dem Hof.

Aktuell erarbeiten wir mit unseren Projektpartnern ein Konzept für einen bilanziell energieautonomen und rein aus erneuerbaren Energien versorgten Hof. Leitung des exemplarischen Vorhabens hat Landmaschinenhersteller John Deere.

Unser Testhof ist das Hofgut Neumühle in Münchweiler, das auch zuständig ist für die Aus- und Fortbildung in der landwirtschaftlichen Tierhaltung in Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Auf dem 260 Hektar großen Gutsbetrieb mit rund 70 Hektar Forstfläche leben 150 Milchkühe, sowie ca. 120 Schafe und 35 Zuchtsauen. Auf den Stallungen ist bereits eine große Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 400 Kilowattpeak installiert. Auch die Nutzung von Gülle und Biomasse bietet Potenzial zur Stromerzeugung. Gleichzeitig gibt es viele Energieverbraucher, wie beispielsweise die Melkanlage, mit der zweimal täglich 150 Kühe gemolken werden.

Wir haben dem Gutsleiter Dr. Karl Landfried sechs Fragen zu den Chancen, Risiken und Herausforderungen der Digitalisierung auf dem Hof gestellt.

Wie sehen Sie die Zukunft der Landwirtschaft?

Dr. Karl Landfried: Auch in der Zukunft wird die Landwirtschaft einen großen Stellenwert einnehmen und entgegen dem Verbraucherwunsch nach kleinen Betrieben weiter wachsen.  Der Strukturwandel in der Landwirtschaft wird sich künftig verstetigen oder gar beschleunigen, was den niedrigen Lebensmittelpreisen, die wiederum zu niedrigen Erzeugerpreisen führen, geschuldet ist. Da die Arbeitsbelastung mit zunehmender Betriebsgröße steigt, wird man versuchen müssen die Mehrbelastung durch den Einsatz von zusätzlicher Technik oder auch im Rahmen der Digitalisierung (z.B. Tiermanagementsysteme oder autonomes Fahren von Landmaschinen) zu kompensieren.

Welche Rolle spielt die Digitalisierung in der Landwirtschaft?

Dr. Karl Landfried: Die Digitalisierung spielt schon heute aber insbesondere in der Zukunft eine extrem wichtige Rolle für uns Landwirte. Durch die Digitalisierung können zugekaufte und eigene Betriebsmittel wie Dünger, Saatgut und Pflanzenschutz noch gezielter eingesetzt werden, was zu großen Einsparungen in Sachen Aufwand und Arbeitszeit, aber auch zur Entlastung der Umwelt führt. Darüber hinaus hilft sie bei der Dokumentation der Arbeiten auf den Feldern und am/mit dem Tier, was wiederum ebenfalls zu Einsparungen der Arbeitszeit führt. Auch wird es künftig neue Formen der Beikraut-Entfernung geben, weg von chemischen Herbiziden hin zu kameragestützten Wärme- und Lasersystemen.
Sensoren am und im Tier werden Informationen zur Gesundheit und zum Wohlbefinden geben, was die Zeit zur Tierbeobachtung reduziert und auch zur Verbesserung des Tierwohls beiträgt. Zusätzlich verbessert die Digitalisierung die Futterzuteilung und damit die Futtereffizienz was zu einer Verringerung der Umweltbelastung aus dem Tierbereich führen wird.

Wo sehen Sie den größten Optimierungsbedarf auf landwirtschaftlichen Höfen?

Dr. Karl Landfried: Auf landwirtschaftlichen Höfen sehe ich im Wesentlichen drei Punkte, die noch großes Optimierungspotenzial haben:

•    Die Verbesserung der Betriebsmitteleffizienz (Kostenreduzierung/Verlustminimierung) in der Düngung und im Pflanzenschutz sowie im Futtermitteleinsatz bei den Grund- und Kraftfuttermitteln
•    Die Erleichterung bzw. Verbesserung der gesetzlich geforderten Dokumentation der eingesetzten Betriebs- und Arzneimittel
•    Eine Verbesserung in der Erfassung der Erträge direkt auf den Feldern, insbesondere im Bereich Grünland um daraus genauer den Düngerbedarf abzuleiten und den Dünger teilflächenspezifisch bzw. bedarfsgerechter ausbringen zu können (neue Dünger-Verordnung).

Welche Risiken birgt die Digitalisierung Ihrer Meinung nach für die Landwirtschaft?

Dr. Karl Landfried: Die größte Gefahr sehe ich darin, dass die hohen Investitionen und der enorme Kapitalbedarf in Digitalisierung und Technik nur von den größeren Betrieben gestemmt werden kann und sich der Strukturwandel infolge dessen deutlich beschleunigen wird. Auch das Thema Datenschutz birgt gewisse Risiken. So könnten die Betriebe den alleinigen Zugriff auf die betriebseigenen Daten verlieren und diese dann im Netz oder bei den Technikanbietern kursieren.

Welchen Herausforderungen und Anforderungen müssen Sie und andere Landwirte sich zukünftig stellen?

Dr. Karl Landfried: Die Anforderungen, die die Verbraucher an Qualität in Korrelation zu Preisen sehen, sind ökonomisch nicht machbar. Sie erwarten gesunde und sichere Lebensmittel bei gleichzeitig niedrigsten Preisen und Betriebsstrukturen wie vor 50-60 Jahren (kleinstrukturierte Familienbetriebe) – das ist aber schlichtweg unmöglich realisierbar. Gleiches gilt für die Erwartung der Verbraucher eine möglichst naturnahe Haltung der Tiere, z.B. Weidehaltung, bei gleichem Preis wie in der Stallhaltung zu gewährleisten. Auch der Wettbewerb deutscher Landwirte mit Kollegen in der EU bei sehr unterschiedlichen Lohnniveaus, Pachtpreisen und Maschinenkosten stellt uns Landwirte vor große Herausforderungen. Bisher konnten wir im Wettbewerb bestehen, weil wir die bessere Technik einsetzen, eine breite Palette an Pflanzenschutzmitteln zur Verfügung haben und über Sensoren eine genauere Applikation durchführen können.
Insbesondere  die Nutzung weniger ertragreicher Böden wird zunehmend unrentabel und in Folge dessen aufgegeben. Diese Flächen werden zukünftig brachfallen und Bewalden.

Für wie sinnvoll halten Sie eine Elektrifizierung von Landmaschinen? Ist das finanziell für Landwirte realisierbar?

Dr. Karl Landfried: Eine Elektrifizierung der Landmaschinen wird dann sinnvoll, wenn die Effizienz oder die Genauigkeit der Maschinen gesteigert werden kann und man sie mit Strom aus Akkus oder einem Generator laden kann. Auch die benötigte Wärme oder Laser für die Bekämpfung von Unkraut mit Landmaschinen macht nur dann Sinn, wenn die benötigte Energie aus eigenen Speicherbatterien/-akkus kommt. Die gesteigerten Kosten können nur dann aufgefangen werden, wenn sich durch die Umstellung auch die Effizienz enorm steigern lässt.
Zunehmend interessant ist auch der Einsatz autonomer Roboter – gerade wenn man die steigenden Dieselpreise der letzten Jahre betrachtet. Ein Stromanschluss am Feldrand könnte dann künftig das Laden der autonom fahrenden Landmaschinen übernehmen und der Landwirt müsste nur noch vorab Länge und Strecke der Landmaschine definieren. Dennoch ist der Wunsch heute von Strom am Feldrand nicht ohne eine hohe Fördersumme denkbar.

 

  • Dr. Karl Landfried | © Pfalzwerke
    Dr. Karl Landfried ist seit 1991 Leiter des Lehr- und Versuchsguts Neumühle in Münchweiler an der Alsenz.
  • Futterzuteilungsmaschine für Kühe | © Pfalzwerke
    Dr. Landfried erklärt die Vorteile einer digitalen Futterzuteilungsmaschine.
  • SESAM-Farm, PV-Anlage, Photovoltaik, Landwirtschaft | © Pfalzwerke
    Auf dem Dach des Kuhstalls befindet sich eine PV-Anlage, die Strom ins Netz einspeist.
  • Futterroboter, Digitalisierung Landwirtschaft, Kuhstall | © Pfalzwerke
    High-Tech im Kuhstall: Dieser Futterroboter sorgt für ständigen Nachschub.

Autor: Maurice Brass

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